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Die Kirchenburg Tartlau
Die herausragende Kirchenburg unter den vielen in Siebenbürgen ist zweifelsohne Tartlau. Die Aufnahme auf die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO bestätigt dieses auf außergewöhliche Weise. Sie ist die größte und am stärksten befestigte Burg, was sicherlich der Tatsache geschuldet ist, dass Tartlau die östlichste Gemeinde Siebenbürgens ist und somit als erste den einfallenden Horden ausgesetzt war.
Dabei ist die unbefestigte Kirche von einem besonders massiven Bering umgeben. Tartlau ist die Kirchenburg mit den stärksten Ringmauern in Siebenbürgen. Grund hierfür ist die besonders exponierte Lage von Tartlau als die östlichste Gemeinde Siebenbürgens, genau vor dem Bozau-Pass, der als Einfallstor durch die Karpaten nach Siebenbürgen genutzt wurde.
Die Ringmauern sind 12-14 Meter hoch und mit vier Flankierungstürmen versehen (im Südwesten, Südosten, Nordosten und Nordwesten - hiervon stehen nur noch zwei). Die durchschnittliche Dicke der Mauern beträgt 4,5 Meter. Der Durchmesser des Berings beträgt innen 72 Meter. Im oberen Bereich der Wehrmauer ist ein fast 2 Meter breiter Wehrgang, der ohne Unterbrechung um die ganze Burg herumführt. Hier sind zahlreiche Schießscharten und Gussöffnungen ("Pechnasen") angebracht.
Im Inneren der Burg befinden sich - wie Waben an die Ringmauer geklebt - 272 Vorratskammern in denen die Familien ihr Hab und Gut aufbewahrten - auch in Friedenszeiten, da bei den vielen unvermuteten Angriffen keine Zeit gewesen wäre, um Besitztümer und Nahrungsmittel in Sicherheit zu bringen. In Kriegszeiten mussten die Kammern je einer Familie Sicherheit bieten.
Die Kammern sind in mehreren Geschossen angeordnet, der Zugang zu den Kammern erfolgt über ein ausgeklügeltes System von Holzstegen und Treppen, die offen angelegt sind. Zusätzlich bestand ein direkter Zugang von den Kammern zum Wehrgang, um schnell die Verteidigungsposition einnehmen zu können.
Im Südsektor des Wehrgangs ist ein in einem Rahmen eingesetztes Eichenbrett vorhanden, das sich um seine Achse drehen läßt und beidseitig mit je 5 kurzen Vorderladeschießrohren bestückt werden kann. Hierdruch wurde ein schnelles Schießen ermöglicht. Dieses Abwehrgerät wird auch "Todesorgel" genannt.
"Der biblischen Arche Noah gleich", schreibt der Hermannstädter Architekt Hermann Fabini, "konnte in der Burg das Leben - wenn auch in eingeengten Verhältnissen - in seinen wichtigsten Äußerungen weitergeführt werden."
Auch nachdem die Kirchenburg in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ihren Zweck als Bollwerk verloren hatte, behielt sie ihre Aufgabe und Bedeutung als Vorratsspeicher bei, vor allem als Speckvorratskammern (dem Grundnahrungsmittel der Siebenbürger Sachsen - daher auch die Bezeichnung "Specksachsen") und Vorratskammern für Kornsäcke.
Einige Kammern hatten auch ganz besondere Funktionen zu erfüllen. Gemäß einer Ortssage gab es eine Kammer, die dem Krisenmanagement bei Eheproblemen diente. Hier wurden trennungswillige Eheleute eingeschlossen und mussten aus einem Teller mit einem Löffel essen, aus einem Becher trinken und auf einem schmalen Bett schlafen. Der Überlieferung zufolge, sollen sich die meisten Ehepaare nach wenigen Tagen der Prüfung bereits wieder versöhnt haben. Eine wahrscheinlich erfolgreichere Methode der Eherettung als die heutige Eheberatung.
Ebenfalls im Inneren der Burg befinden sich zwei Räume, die den Namen "Alte Schule" tragen. Es ist überliefert, dass der Schulbetrieb selbst in Belagerungszeiten weitergeführt wurde. Wenn man bedenkt, dass es in unseren Zeiten in der Schule "hitzefrei" gibt, erscheint dieser Umstand noch einmal in einem besonderen Licht - die armen Kinder!
Im Abstand von 3 Metern vor der Ringmauer wurde noch eine zweite Mauer errichtet, welche die Außenecken der vier Türme verbindet - die Zwingermauer.
Der Zugang zur Burg erfolgt über eine Torwehre, einen 32m langen Gang, der mit mehreren Fallgittern und Eichentoren gesichert ist/war. Im 16. Jahrhundert ist noch eine Vorburg angebaut worden. Diese umschließt den Rathaushof, ihre Mauern sind ebenfalls mit den üblichen Verteidigungsanlagen ausgerüstet. Durch eine Verbindungsmauer zwischen Vorburg und Südwestturm wird ein weiterer Hof gebildet - der Bäckerhof.
Zu guter Letzt war die Burg noch von einem 8 Meter breiten und 4 Meter tiefen Wassergraben umgeben, der aus dem Tartelbach gespeist wurde. Der Wassergraben wurde 1850 zugeschüttet. Bis dahin erfolgte der Zugang zur Burg über eine Zugbrücke.
Quelle: Baudenkmäler in Siebenbürgen, Heft 17.
Erstellt: 29. Januar 2010 - 21:33. Geändert: 28. Mai 2010 - 15:34.
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