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Kirchenburg Tartlau - UNESCO-Welterbestätte seit 1999

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Die Sprache der Siebenbürger Sachsen

Siebenbürgisch-Sächsisch ist als Sprache so einmalig, wie die gesamte Kultur, die von Siebenbürger Sachsen geschaffen worden ist. Zum Unterschied von den etablierten Nationalsprachen, ist Siebenbürgisch-Sächsisch weniger eine eigenständige Sprache, als eher der Sammelbegriff für die Mundarten, die von den aus dem deutschsprachigen Raum nach Siebenbürgen ausgewanderten Kolonisten gesprochen werden.

Entstehung und Merkmale

Das Siebenbürgisch-Sächsische wird heute als westmitteldeutsch geprägte Mundart klassifiziert und hat als typische Kolonistenmundart viele mittelalterliche Sprachformen bewahrt. Eine der wichtigen Rahmenbedingung für die Entstehung und Entwicklung des Siebenbürgisch-Sächsischen ist die Tatsache, dass Siebenbürgen als Sprachinsel eingestuft werden muss: Siebenbürgen ist eine der ältesten und am weitesten entfernten mittelalterlichen deutschsprachigen Außengründungen in Osteuropa.

Die siebenbürgische Mundart ist sehr vokallastig und variiert zudem teilweise recht stark. Nicht von Region zu Region, sondern sogar von Dorf zu Dorf. Dabei ist die Buntscheckigkeit der Vokalverwendung bemerkenswert. Von kleineren Missverständnissen abgesehen, ist die Verständigung der Siebenbürger Sachsen untereinander jedoch problemlos möglich. Von insgesamt 250 Ortmundarten gibt es nicht zwei, die als identisch betrachtet werden könnten. Diese Vielfalt erklärt sich durch die jahrhundertlange Isolation und Abgeschiedenheit der einzelnen Orte.

Der Versuch die Mundart eines Ortes einer bestimmten Herkunftsregion zuzuordnen scheitert gewöhnlich. Die Sprache ist eher ein Gemisch aus vielerlei Mundarten, da die Hochsprache noch nicht so weit entwickelt war und logischerweise setzte sich die stärkere Gruppe durch. Für die deutschen Mundarten gibt es eine markante Trennlinie etwa in der Mitte des Landes, in der Maingegend. Nördlich davon sagt man "dat Water" (im niederdeutschen Sprachraum hat die zweite Lautverschiebung nicht stattgefunden) und südlich davon heißt es "das Wasser" (im oberdeutschen Sprachraum hat die zweite Lautverschiebung stattgefunden). In Siebenbürgen sagt man "det Wuasser" (oder ähnlich), einmal mit "t" und einmal mit "s". Das kann als Beweis der Mischung von unterschiedlichen Herkunftsmundarten gewertet werden.

"An Tuerteln as an e jeder Guass iweruall kualt Wuasser am Brånnekuasten" ("In Tartlau ist in jeder Gasse überall kaltes Wasser im Brunnenkasten"). Mit diesem Spruch werden die Tartlauer auf die Schippe genommen, weil die Aussprache einiger Worte so deutlich anders ist als in anderen Gemeinden. Eine weiteres Beispiel dafür ist "Pålix am Finster" ("Paluckes - bedeutet Maisbrei - im Fenster"). Trotzdem: wenn man die sächsischen Worte niederschreibt und analysiert, kann sich jeder, der Deutschkenntnisse besitzt, die Bedeutung zusammenreimen. Die Verwandtschaft mit Hochdeutsch ist nicht zu bestreiten.

Seit der Reformation ist Hochdeutsch die Kirchensprache der Siebenbürger Sachsen – jedoch wurde auch auf Sächsisch gepredigt. Schrift- und Schulsprache ist seit jener Zeit auch das Hochdeutsche, wobei in den Schulen teilweise bis ins 19. Jahrhundert sächsisch gesprochen und deutsch geschrieben wurde. Die Mundart ist vor allem auf die Privatsphäre und die Kommunikation "auf der Straße" beschränkt. Mittelalterliche Schriftstücke aus Siebenbürgen unterscheiden sich daher im Sprachgebrauch und dem Vokabular nicht von vergleichbaren Schriften in anderen Teilen des deutschen Sprachraums.

In der Schrift "Der Sprachkampf" (1842) erläutert der siebenbürgisch-sächsische Schriftsteller, Schulreformer und Politiker Stephan Ludwig Roth (1796 - 1849) die Bedeutung der Muttersprache: "Die Sprache ist aber die mächtigste Sitte und der häufigste Gebrauch. Mit dem Verlust der Sprache verlischt die Nationalität und hierdurch auch die Nation selber."

Im "Sprachunterricht" schreibt Stephan Ludwig Roth: "Ohne Mundarten wird der Sprachleib ein Sprachleichnam. Die Schriftsprache ist die höchste Anwaltschaft der Spracheinheit, die Mundarten bleiben die dazu nötigen Urversammlungen der vielgestaltigen Einzelheit."

Trotz des Nebeneinanders bleiben Mundart und Hochsprache streng getrennt. Dies liegt u.a. sicher auch daran, dass die phonetischen, morphologischen und lexikalischen Unterschiede zwischen Mundart und Hochsprache so groß sind, dass z. B. die Kinder Deutsch mehr oder weniger als Fremdsprache lernen, obwohl das Sächsische eine deutsche Mundart darstellt.

Verwandte Sprachen

Die siebenbürgische Mundart ist wie das in Luxemburg gesprochene Luxemburgisch ("Letzebarjeresch") und das "Trierische" eine moselfränkische Mundart. Sie war Teil eines Dialektes, der im Mittelalter in einem relativ großen Gebiet gesprochen wurde, das nicht nur Luxemburg, sondern auch das Erzbistum Köln umfasste, danach aber immer mehr überformt und verdrängt wurde.

Siebenbürgisch-Sächsisch und Luxemburgisch haben sich als Reliktmundarten erhalten. Allerdings ist die siebenbürgische Mundart im Lauf der 800 Jahre "Isolation" einem anderen Entwicklungsweg gefolgt als die anderen moselfränkischen Mundarten, so dass eine problemlose Verständigung in den Mundarten untereinander nur bedingt möglich ist.

Schon 1768 hat es einen Luxemburger (Franz Xaver Feller, Professor an einer ungarischen Universität) nach Siebenbürgen verschlagen und er war nicht wenig erstaunt, dass man sich hier auch mit den einfachsten Leuten einfach deutsch verständigen konnte und dass "diese Sachsen haben Tonfall und Aussprache der Luxemburger".

Die meisten Siebenbürger Sachsen kommen ins Schwärmen, wenn sie irgendwann Luxemburg besuchen und 2000 km entfernt vom eigenen Geburtsort auf der Strasse, im Einkaufsladen oder in der Gaststätte eine Sprache hören, die der eigenen Mundart so frappierend ähnlich klingt.

Inschrift auf dem Erker eines Luxemburger Hauses, Foto: Volkmar Kirres, 1997.

Pflichtprogramm in Luxemburg ist das Betrachten eines Hauses auf dem Fischmarkt, an dessen Erker der Spruch "Mir wölle bleiwe wat mir sin" ("Wir wollen bleiben, was wir sind") zu lesen ist und der auch den traditionsbewussten Siebenbürgern bestens bekannt ist (s. Foto).

Siebenbürgisch-Sächsisch nach der Aussiedlung

Im Herkunftsland haben die Siebenbürger Sachsen ihre Identität immer sehr stark mit dem Sprechen der eigenen Sprache verbunden. Obwohl sie sich ihrer deutschen Wurzeln bewusst waren, stand das "Sachsen-Sein" im Vordergrund.

Einer der Gründe zur Auswanderung ist die Sicherung der ethnischen und sprachlichen Identität. Nach erfolgter Auswanderung steht plötzlich nicht mehr zwangsweise das "Sachsen-Sein" im Vordergrund, der Schwerpunkt verlagert sich auf "Deutsch-Sein" und "Deutsch-Sprechen". Auf der einen Seite geschieht dies aus praktischen Gründen, auf der anderen Seite wird es nicht als Identitätsverlust betrachtet, weil man die Auswanderung bewusst angestrebt und vollzogen hat. Die Schrift- und Unterrichtssprache der Siebenbürger Sachsen ist ohnehin schon seit Jahrhunderten die deutsche Sprache.

In den meisten sächsischen Familien sprechen die Erwachsenen nach wie vor untereinander "Sächsisch". Bei den Kindern und Jugendlichen ist das Bild sehr differenziert. Die hier geborenen Kinder verstehen die Mundart, sprechen sie aber in den seltensten Fällen fließend, sondern eher mal zum Spaß. Jugendliche, die das "Sächsische" zum Zeitpunkt der Auswanderung gut beherrschten, sprechen die Mundart, wenn sie mit anderen sächsischen Jugendlichen zusammen kommen.

Die Mundartnutzung geht jedoch stetig zurück. Es gibt immer weniger Gelegenheiten die Mundart aktiv zu praktizieren und die vorhandenen Gelegenheiten werden von Jugendlichen nicht genutzt, weil sie sich immer weniger für rein "sächsische" Veranstaltungen und Treffen interessieren. Dies liegt sicher daran, dass es nicht gelingt, solche Veranstaltungen attraktiv für Jugendliche zu gestalten.

Unüberhörbar wiederum ist der "sächsische" Akzent unserer Landsleute aus Siebenbürgen beim Deutsch sprechen. Dieser "harte", manchmal "österreichisch" geprägte Akzent, verleitet manche zu der Annahme, dass wir Schweizer sind. Beim Rollen des "R" und Aussprechen eines dicken "L" kann uns kaum jemand überbieten! Wir "erkennen" uns jedenfalls beim Deutsch sprechen schon nach dem ersten Satz als Siebenbürger Sachsen. Das siebenbürgische Deutsch ist nicht mundartlich durchsetzt (höchstens akzentuell gefärbt), sondern entspricht der Schriftsprache, wobei der Wortschatz eher dem österreichischen Deutsch entnommen ist.

Es muss festgestellt werden, dass inzwischen beim Sprechen der Mundart oft mundartfremde Wörter und Ausdrücke in sächsischer Lautung verwendet werden, wie "Soisseketen" (für Süßigkeiten), "Ooģewedj" (für Augenweide), "erwuerdungsvoll" (für erwartungsvoll), "Wittwer" (statt "Widmon"), "wat ammer" (statt "majer wåt"), "schmacken" (für schmücken). Auch die Grammatik wird oft aus dem Deutschen übernommen und der Satzbau verdreht. Jede Sprache ist lebendig, verändert sich und ist dauernd Einflüssen anderer Sprachen ausgesetzt. Der Einfluss des Deutschen ist verständlich, eine bewusste "Anpassung" ist jedoch nicht empfehlenswert.

Es ist abzusehen, dass die aktive Mundartkompetenz in den nächsten zwei Generationen verschwunden sein wird. Siebenbürgisch-Sächsisch wird wohl eine der 3500 Sprachen (insgesamt gibt es etwa 6500 Sprachen) sein, von denen man annimmt, dass sie in den nächsten hundert Jahren aussterben werden, weil sie kaum noch oder gar nicht mehr an Kinder weitergegeben werden.

Textproben

Zugegeben: einen in der Mundart geschriebenen Text zu lesen, geschweige denn, einen "sächsischen" Text niederzuschreiben, ist auch für einen gebürtigen Siebenbürger eine wahre Herausforderung. Die Gründe liegen auf der Hand: die "sächsische" Schriftsprache ist nicht eindeutig reglementiert und es fehlt schlichtweg an der Übung, "Sächsisch" zu lesen oder zu schreiben.

Die Schreibung des Siebenbürgisch-Sächsischen orientiert sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts grundsätzlich an der Rechtschreibung des Hochdeutschen. Ein einheitliches und brauchbares Regelwerk für 250 Ortmundarten zu definieren ist kein leichtes Unterfangen. An Initiativen und Vorschlägen hierfür mangelt es nicht. Selbst wenn es gelingt, ein solches Regelwerk zu verabschieden, ist seine Durchsetzung mehr als fragwürdig. Das Schriftbild wird wohl immer vom Ermessungsspielraum des Autors und den drucktechnischen Gegebenheiten geprägt sein. Obwohl Sonderzeichen die mundarttreue Wiedergabe unterstützen würden, gilt als Prinzip, diese auf das Notwendigste zu reduzieren.

Es ist außerordentlich erfreulich, dass spätestens seit der Verbreitung von Internettechnologien nun auch verstärkt die Möglichkeit besteht, mit einfachen Mitteln Mundarttexte oder die Aussprache von Wörtern nicht nur über die Schriftform zu dokumentieren, sondern auch über die "Tonspur" zu vermitteln. Diese Möglichkeit bieten wir inzwischen für ausgewählte Textproben (z.B. für das "Tartlauer Heimatlied" weiter unten oder die Mundartgedichte von Katharina Roser), später auch für die noch in Entwicklung befindliche Sammlung von "sächsischen" und spezifischen "Tartlauer" Wörtern und Redewendungen in naher Zukunft an.

Ein beliebtes Thema von Mundartgedichten ist die Heimatverbundenheit der Siebenbürger Sachsen. Hier das "Tartlauer Heimatlied" des langjährigen Tartlauer (Tartlau = "Tuerteln") Pfarrers Otto Reich (Text und Melodie):

"Burzelōnd, an menjem Harzen
Draun ech dech, menj Hēhmet, troai.
An der Froaid, an ållen Schmarzen,
bondjst da mech uen dech åft noai.
Ändjen moiß ech uen dech dänken,
Tuerteln menj am Burzelōnd!

Wai ech och de Warlt durchmäßen,
wåt de Hēhmet mer gegjën,
kōhn ich nekend mih vergäßen,
naimend torf mir duat och niën.
Ändjen moiß ech wider dōnken,
Tuerteln menj am Burzelōnd!

Vueterhous, wau ech lihrt riëden,
wau ech genj den irschten Schratt;
Metterlaif, dai mech lihrt biëden,
wau ech ban, dau gaut ihr mat.
Nekend kōn ech dech vergäßen,
Tuerteln menj am Burzelōnd!

Hēhmetglåken hihrn ech klōnjen,
Wall et menjen Kandjen saun:
Hēhmet wall as Friden bronjen,
wonn mer se am Harzen draun.
Troai am Liëwen, troai am Starwen,
Tuerteln menj am Burzelōnd!"

Gesprochen von: Volkmar Kirres

Länge: 1:07 Minuten (1,07 MB)

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Wie hoch der Stellenwert der Muttersprache eingeschätzt wird, kommt in dem Gedicht "Mottersprōch" (Muttersprache) des gebürtigen Hermannstädters und langjährigen Gymnasiallehrers Karl Gustav Reich (1905 - 1997, Bruder des Tartlauer Pfarrers Otto Reich) zum Ausdruck. Der Wortlaut ist hier nicht im "Tartlauer" sondern im "Hermannstädter" Dialekt wiedergegeben, weil ansonsten teilweise sogar der Reim verloren geht und damit erneut die Vielfalt aber auch die Problematik der vielen Dialekte deutlich wird:

"Et git vill Sprōchen än der Wält.
Wävill, äs wärlich en schwer Frōch.
Doch well um bēsten ās gefällt
äs leicht ze sōn: ās sachsesch Sprōch.

Durchsäckt de Wält un allen Ängden,
en hescher Sprōch wärd ir net fängden.
Wo gēw af deser Iėrd et noch
en kärn’jer, ousdracksvoller Sprōch?

Ās Motter huėt se ās gelīhrt,
vu klīn af hu’ mer se gehīrt,
durcht Liėwen sä es na beglīt
und blėiwt bä ās bäs z’āsem Dīd.

Mērwat ās Härzen uch bewiėcht,
mērwat ās Dinken uch errīcht,
mērwat mir säcken uch erstriėwen,
mir kennen’t sachsesch nor erliėwen.

Of mir låchen oder schroan,
of mir trourich sen, ās froan,
ās Froaden messe’ mer sachsesch sōn,
ās bätter Līd af sachsesch klōn.

Of mir låchen oder schroan,
of mir trourich sen, ās froan,
ās Froaden messe’ mer sachsesch sōn,
ās bätter Līd af sachsesch klōn.

Uch ās Rejer, Fläss och Brännen,
Bäsch uch Blomen sachsesch kennen.
Gedär, Vijeltcher, Kiėwer, Boaen
sachsesch sich um Liėwen froan.

Uch ās Rejer, Fläss och Brännen,
Bäsch uch Blomen sachsesch kennen.
Gedär, Vijeltcher, Kiėwer, Boaen
sachsesch sich um Liėwen froan.

Mir hålden se än Froad uch Līd,
mērwä et dro äm Liėwen giht.
Hålden se dīr, bäs zem liėzten Houch,
dä läw, läw sachsesch Mottersprōch."

"Tartlauer" Wörterbuch

Es heißt zwar, dass man über ungelegte Eier nicht gackern soll, ich kann es aber trotzdem nicht lassen, hier ein weiteres Vorhaben unserer Homepage anzukündigen: wir möchten hier ein "Tartlauer" Wörterbuch anbieten.

Es sollen zunächst vorwiegend für Tartlau spezifische Wörter und Ausdrücke zusammen mit ihrer Bedeutung (in Deutsch) aufgelistet werden. Wenn es technisch klappt, werden wir hier den Lesern auch die Möglichkeit bieten, selbst neue Einträge zu machen, die dann nach Prüfung publiziert werden. Das ist eine mittlerweile gängige Methode vorhandenes Wissen einem möglichst breiten Publikum unter direkter Beteiligung der Leser zur Verfügung zu stellen. Somit wird der Leser zum Autor und umgekehrt.

Ich freue mich jetzt schon auf eine rege Beteiligung der Tartlauer!


Quellen: Wikipedia; Waltraut Schuller auf www.siebenbuerger-sachsen-bw.de

Autor: Volkmar Kirres

Erstellt: 23. Dezember 2009 - 15:17. Geändert: 11. September 2019 - 9:53.