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Kirchenburg Tartlau - UNESCO-Welterbestätte seit 1999

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Tartlauer und siebenbürgische Mundart

Otto Depner gehörte zu den besonders aktiven Pressereferenten des "Tartlauer Wortes". Insbesondere haben ihn die siebenbürgischen Mundarten im Allgemeinen und die Tartlauer Mundart im Besonderen interessiert. Er hat eigene Recherchen angestellt und diese in einigen Artikeln zusammengefasst.

Die Tartlauer Mundart

Wenn ich nach der besonderen Lautung der Tartlauer Mundart und nach einem Beispiel gefragt werde, so antworte ich zumeist mit dem Satz: "An Tuerteln as an ejeder Guaß iverual kualt Wuasser am Brannekuasten" (in Tartlau ist in jeder Gasse überall kaltes Wasser im Brunnenkasten). Für den Zuhörer wirkt diese gutturale Lautung wie von innen überquellend ausgesprochen. Daher ist es die Erfahrung meines Lebens, dass ich mich in der Tartlauer Mundart nur mit einem Tartlauer, allerhöchstens noch mit einem Honigberger, unterhalten kann. In ganz Siebenbürgen wurde sie nur dort so gesprochen und sonst nirgends - ein Kuriosum für Sprachforscher und ein Wagnis ihrer Deutung. Über den Ursprung weiß man nichts genaues, und das gilt ja allgemein für ganz Siebenbürgen.

Tartlauer Burg - Grafik, Quelle: Otto Depner.

Da es jedoch zweifellos eine deutsche Mundart ist, wurde versucht, anhand von spezifisch Tartlauer Wörtern die Abstammung aus dem Mutterland herauszufinden. Dazu diene die folgende Aufstellung:

In Tartlau: Hochdeutsch: Mundartlich: Herkunft / Gegend / Besonderheit:
Itsch Glasmurmel Itschen Hessen / Grimms Märchen / Kröten
Bitt Faß Bütt Rheinland / Karnevalsbütt
Steekool Steinkuhle Steinkaul Siebengebirge / Rhein
Kullegk Mühlkoppe Külling nordd. Seeküste (Seefisch)
Masch Sperling Mösch, Müsch Rheinland / Köln
Ham Flurstück Hem, Ham Hamburg / Bremen
Äscherguaß Straßenname Esch Westfalen / Flurstück beim Ort
Göllnerguaß Straßenname Gölln, Kehlen Rheinland / Ursprung keltisch
Krunerguaß Straßenname Kron Mittelniederdeutsch / Ursprung keltisch
Gåßmer Straßenname Gatmergasse Mittelniederdeutsch Feldgarten
Steinreg Straßenname Reg Mittelniederdeutsch umzäuntes Flurstück
Bunzel Kot Bunzel Niedersachsen / Lehmhäufchen
Klautsch Gebäck Klotsch Hohenlohe / Zwiebelkuchen
Båschål Rammler Beschäler Altdeutsch für Hengst
Fuesendech Fastnacht Fousendech Luxemburg / Mosel / Rhein
Malem Straßenstaub Melmete Unstrut / Magdeburg

Aus einem Beitrag von Erika Obermayer-Möckesch:

In Tartlau: Hochdeutsch: Mundartlich: Herkunft / Gegend / Besonderheit:
Kapp Rauchabzug von Kiepe = Tragkorb Norddeutschland
Rauchabzug über offenem Feuer, Rutengeflecht, lehmverputzt
doaisen ziehen deisn Köln / Südbrabant
Edem Schwiegersohn Edem Köln / Südbrabant
Pitzi-Knochen ein Kinderspiel aus Flamen 1566 von R Breughel gemalt

Auf diesem Gebiet hat sich Luxemburg zu einer einheitlichen Mundart - Schriftsprache - einigen können, sie ist für Siebenbürger Sachsen gut lesbar und verständlich, bis auf einige "Franzusismen". Es ist daher kein Wunder, daß ein GroBteil unserer Landsleute, nach einem Besuch in Luxemburg dort auf dem Marktplatz den Spruch lesen: "Mir wolle bleiwe wat mir sin", und dann der Meinung verfallen, dieses Gebiet sei unsere Urheimat. Das kann so nicht stimmen, aber wenn seinerzeit König Sigismund von Luxemburg (1433 zum Kaiser gekrönt) in Siebenbürgen residierte, so hatte er sicher seine Hofbeamten mitgebracht, so dass die Luxemburger Mundart als seine Amtssprache mit Sicherheit in Siebenbürgen Spuren hinterlassen hat. Das aber konnte der harten Tartlauer Lautung wenig anhaben.

Man denke sich besser in die Zeit der Auswanderung aus dem Mutterland zurück. Keineswegs wurden ganze Ortschaften damals entvölkert, sondern es schlossen sich immer nur ganz vereinzelt die Auswanderungswilligen dem Zug nach Osten bzw. Südosten an. Daher gibt es darüber auch keine Urkunden. Bekannt ist nur der Weg der ungarischen Werber längs der Donau zum Rhein und an die Mosel bis nach Flandern, wodurch die Einzugsgebiete der Aussiedler in etwa angenommen werden dürfen. Zu damaliger Notzeit war das eine erwünschte Entlastung, und dennoch ließ man die Leute nicht ins Ungewisse ziehen. Ihre Weiterleitung war eine gut organisierte Angelegenheit. Die Auswanderungswilligen wurden in der Gegend um Magdeburg, der "Goldenen Aue", in Auffanglagern für ihr künftiges Leben gut vorbereitet, und jeweils zu einer Treckstärke aus Sicherheitsgründen zusammengestellt - ungeachtet ihrer Herkunft aus den verschiedensten deutschen Gauen - und so kommt es, dass sich die ursprungliche Mundart der jeweils stärkeren Gruppe am neuen Ort dann zumeist durchgesetzt hat, wenn auch sehr untermischt.

Die oft sehr unterschiedlich ausgeprägte Mundart in den Landgemeinden im Burzenland gibt den Anlaß, in der hiesigen mundartlichen Landschaft einmal genauer hinzuhören. So kann man in der Zeidner Mundart getrost eine Thüringer Herkunft heraushören. Petersberg erinnert an den Zungenschlag der Sachsen, Neustadt der Lippenbewegung nach an Hessen, und das "x" der Bartholomäer, selbst an unpassender Stelle vorkommend, an den Ostseeraum. Heldsdorf würde ich aufgrund vieler Wortformen nach Niedersachsen einordnen.

Der andere Weg einzelne typisch Tartlauer Wörter auf ihre Herkunft zu untersuchen, ergab eine weiträumige Streuung, um sie damit näher zu lokalisieren. Die harte Aussprache musste aus einem rauhen Bergland stammen, etwa Westerwald oder noch eher von der Schwäbischen Alb mit ihren abgelegenen Tälern, wo das Wasser reichlich aus dem Berg sprudelt.

Eine geschichtliche Tatsache ist dabei nicht unerheblich, dass Tartlau ja vom Deutschen Ritterorden (1211-1225) gegründet wurde und dessen Stammland das süddeutsche Stauferland war (nach seiner Gründung 1190 in Palästina). Der groBe Stauferkaiser Friedrich II. und dessen Ordensmeister Hermann von Salza begannen mit der großen Aufgabe der Kolonisierung und Städtegründung im Osten. In dessen Gefolge sind auch Neusiedler mitgezogen, vermutlich aus Süddeutschland. Dafür spricht die im Burzenland übliche alemannische Lautumwandlung "w = b", oder "v, w = p, b". Am deutlichsten kommt das in dem Wort "Schwalben" als Beispiel zum Ausdruck, im Burzenland heißt es also "Schpalwen". Diese Lautumwandlung ist dort auffallend; in Baden-Württemberg ist sie heute noch gebräuchlich. Hier siedelten die Alemannen noch vor unserer Zeitrechnung und ihr Stammland war die Gegend um Magdeburg, wo diese Lautumwandlung ebenfalls noch wahrgenommen werden kann.

Um die siebenbürgischen Mundarten haben sich schon viele Sprachforscher bemüht, eine glaubhafte Deutung zu finden, mit dem Ergebnis, dass immer nur eine Mischung aus allen deutschen Gauen festzustellen ist. Bei den deutschen Mundarten gibt es im Nord-Süd-Gefälle eine markante Trennungslinie etwa in der Mitte des Landes, in der Maingegend. Nördlich davon sagt man "dat Water", und südlich davon heisst es "das Wasser". In Tartlau, als eine Mischung von beidem, sagt man "det Wuasser" (det Wosser, oder wie auch immer), jedenfalls sowohl als auch, einmal mit "t" und mit "s".

Die Geschichte Siebenbürgens mit den andauernden Bedrohungen brachte besonders den Bewohnern der Gemeinde Tartlau ein hartes Dasein - und nach allen Zerstörungen einen unermüdlichen Aufbauwillen - und das hat die harte Aussprache ihrer Mundart sicher auch mitgeprägt. Hier in der Urheimat wird sie sicher mit der Erlebnisgeneration verlöschen - doch die Identität der Tartlauer mit der bewährten Überlebensstrategie und dem ausgeprägten Aufbauwillen, müsste aus einem Untergang einen Übergang in neue Aufgaben und Perspektiven bewerkstelligen können.

Die Muttersprache im Burzenland

Wenn Siebenbürger Sachsen gelegentlich auf einer Reise nach Luxemburg kommen und dort den Spruch lesen: "Mer wolle bleiwe wat mer sin", dann schlagen gleich die Herzen höher, in der Annahme, hier das Ursprungsland der siebenbürgisch-sächsischen Mundart vorzufinden. Desgleichen vermutet man an der Mosel und am Hunsrück, am Rhein bis Westfalen, wenn man als Besucher die dort heimische, alte Mundart zu Gehör bekommt. Für unsere siebenbürgi-schen Landsleute ergibt sich eine bisher nicht so unmittelbar vorhandene Möglichkeit, um mit wachsamen Ohren in die verschiedenen Bundesländer und Volksstämme "hineinzuhören", um etwaige bekannte Laute herauszufiltem, welche einem bekannt vorkommen.

Doch es gibt auch in den angesprochenen Gebieten feine Lautunterschiede, welche in Siebenbürgen in verblüffender Ähnlichkeit vorkommen. Dazu wurde ein Luxemburger Mundartforscher nach der dort typischen Lautung einmal befragt, und mit seiner Antwort erläuterte er die dort üblichen Variationen nach dem Satz: Der Hase geht mit der Nase über den Rasen. Allgemein heißt es da: "Der Hos giht met der Nos ibern Rosen." In einer anderen Ecke von Luxemburg heißt es aber schon: "Der Huis giht met der Nuis ibern Ruisen," und in einem dritten Gebiet wiederum: "Der Hues giht met der Nues ibern Ruesen." Das alles kommt einem sehr bekannt vor und so geht es, wenn man dem "Volk aufs Maul schaut". Doch es gibt keine Belege dafür, daß es aus Luxemburg Aussiedlungen größeren Ausmaßes je gegeben hat. Dennoch besteht hierzu eine geschichtliche Beziehung. König Sigismund von Luxemburg (1433 zum Kaiser gekrönt) residierte 1427 mit seinem Hofstaat, einschließlich Ehefrau, in Kronstadt. Er erkannte die herannahende Türkengefahr und ließ die Stadt befestigen, was sich später auch bewähren sollte. Angeblich hat es ihm dort gut gefallen und mit der Verständigung gab es auch keine Schwierigkeiten. Daraus läßt sich möglicherweise folgern, daß das "Letzenburgisch" möglicherweise so etwas wie eine Amtssprache war.

Bei der üblichen Mundart, der Ursprache vor der hochdeutschen Fassung bei der Bibelübersetzung durch Martin Luther, muß man den ganzen Zusammenhang in der Geschichte, die Weiterentwicklung und die Einflüsse von außerhalb beachten. Sprache ist kein starres System, vielmehr handeln die Menschen beim Sprechen stets aufs Neue kreativ in einem lebendigen Sprachverständnis von Generation zu Generation als Muttersprache überliefert. Ohne die neuen Medien von heute hielten sich mündliche Überlieferungen über Jahrhunderte hin unverfälscht. In Deutschland gibt es bei den so verschiedenen Mundarten ein Nord-Süd-Gefälle. Die Grenze ist etwa die Mainlinie. Im Norden heißt es "dat Water" und im Süden "das Wasser". In Siebenbürgen heißt es "det Wasser". In welcher Lautung auch immer, ist damit eine Beziehung zu Nord - Süd gegeben.

An bestimmten Wörtern der siebenbürgischen Mundart, welche in der Hochsprache nicht in gleicher Übersetzung vorkommen, möge man solchen Wörtern ihrem Ursprung nachgehen. So konnte die Bezeichnung "Masch" für den Sperling am Rhein bei Köln als "Mesch" gefunden werden und das im Ort Meschede, hier stammt das Wort von "musico" noch aus römischer Besatzungszeit. Das Siebengebirge am Rhein hat seinen Namen nicht etwa wegen sieben Bergen so erhalten, sondern in diesem Gebiet kursieren viele Sagen. Gemeint ist hier die Zahl 7, die in der Mythologie ihre Bedeutung findet. Die sieben Raben, der Wolf und die sieben Geißlein, Schneewittchen und die sieben Zwerge hinter den sieben Bergen, usw. Das Gebiet ist vielmehr ein bergiges Land mit vielen Hügeln. Bei einer Wanderung traf ich dort einen älteren Mann in seinem Garten. Ich frage ihn, wie das Siebengebirge im Volksmund heißt. Die Antwort: "Siwebarjen". (Da wird man doch stutzig!) Könnte es nicht sein, dass ein seinerzeitiger Auswanderer beim Anblick des siebenbürgischen Berglandes vor Heimweh ausgerufen hat: "Et as hai wai bei as an Siwebarjen!" Im Siebengebirge bezeichnet man einen Basaltsteinbruch bemerkenswert als "Steinkaul" - in Tartlau dagegen heißt eine Schottergrube mundartlich "Steekool". Damit begibt man sich ins Reich der Spekulationen, weil diese verblüffende Ähnlichkeit im Zusammenhang durch keine Urkunde belegbar ist. Für einen Wissenschaftler daher ungültig.

Ein mir bekannter Namensvetter aus dem Raum Magdeburg hatte durch intensive Familienforschung herausgefunden, dass der Zug der seinerzeitigen Auswanderer über Magdeburg nach Osten geleitet wurde. Im Zuge der großen Wanderbewegung ist das als eine gut organisierte Meisterleistung zu sehen, da sich der Adel hilfreich einschaltete, um die Aussiedlungswilligen nicht ins Ungewisse ziehen zu lassen. Die hier Ankommenden wurden in Lagern aufgefangen, erhielten eine Unterweisung und die nötige Ausrüstung für den Neuanfang. Sie wurden in Trecks zusammengestellt und mit einem Anführer auf die Reise geschickt -dadurch konnte ihre Ansiedlung auch so erfolgreich sein. Unterwegs hat sich ihre Sprache zur besseren Verständigung untereinander nach der Mehrzahl ihres Herkunftsgebietes angepaßt und weiterentwickelt. So ist es erklärlich, daß es besonders im Burzenland in der Mundart so verschiedene Lautungen gibt. Die Neusiedler, nun in der Fremde auf sich alleine gestellt, waren aufeinander angewiesen, ihre Identität auch zu pflegen. An ihrer Sprache haben sie streng über die Jahrhunderte festgehalten. Die Aufnahme auch fremder Wörter aus ihrem Umfeld war unausweichlich, blieb aber im Rahmen. Mundartlich hat man damit heute im Mutterland mit einigen Missverständnissen zu rechnen - und das oft mit Erheiterungen. Im Zuge der damaligen Wanderbewegungen nach Osten gibt es Hinweise auch aus Norddeutschen Gebieten, wie zum Beispiel die Sage vom Rattenfänger von Hameln, die darauf hinweist. Eine andere Sage bezieht sich auf Mecklenburg, als Grund wurde eine Urkunde genannt: "dor wart ihnen dat Evangelium tau straff." Doch eine andere Begebenheit lässt da aufhorchen. Es ist die um das Jahr 1200 auf Grund einer Gebietssenkung untergegangene sagenhafte "Kronenstadt", die Krone aller Mecklenburgischen Städte am Krakower See (ein ehemaliger Burgwall soll dort im Dobbiner Seearm heute noch zu sehen sein). Die Bewohner mussten ihre Heimatstadt aufgeben, mussten auswandern und sich woanders eine neue Heimat gründen. Auf einem dort gültigen alten Wappen (heute das Wappen von Mecklenburg) ist eine Krone auf einem Stierkopf zu sehen.

In der Nähe dieser sagenhaften "Kronenstadt" gibt es heute die Orte Bassow und Passow, sowie Hohen-Brünzow, welches nach einer Urkunde von 1253 "Bronsowe" hieß. Das klingt sehr ähnlich wie Braşov, dem ungarischen und rumänischen Namen von Kronstadt im Burzenland. Verdächtig ist hierbei die Bartholomäer Mundart durch eine Lautung, wie sie nur im Ostseeraum vorkommt und auf eine Zuwanderung aus diesem Gebiet hinweist - was wissenschaftlich wiederum nicht aufgeschrieben ist. Es ist ein an unpassender Stelle ausgesprochenes "x", wo gar kein x hingehört. Beispiel: Salmiakgeist - Samiakegixst. Oder noch deutlicher in Verbindung mit einem "ü", wie es in Norddeutschland üblich ist: Großmutter, die Kuh hat mich gestoßen! In der Bartholomäer Mundart heißt es: Grüxsen, de Keau hot mech gestüxsen! Von daher nennt man sie spöttisch auch die „Mexikaner". Ganz anders klingt die Mundart der Tartlauer mit ihrem "kualt Wuasser". Eine derart harte Aussprache läßt auf die Herkunft von einem rauhen Bergland schließen, etwa Westerwald oder Siebengebirge. Eine vorangegangene Untersuchung einiger Wörter wie: Itsch, Bitt, Hamm, usw. sind diese am Rhein bis Münsterland heimisch. Ausgesprochen gegensätzlich klingt das Sing-Sang der Zeidner, was unzweifelhaft an Thüringen anklingt, und in Buchstaben nur schwer zu beschreiben ist, etwa in dem Satz: Auf der Steilau wachsen Rettiche = "Af der Steuleu wueße Reaudlek". Somit konnte man witzig bemerken, dass, wenn sich ein Tartlauer mit einem Zeidner unterhalten will, dann ist es besser, gleich hochdeutsch zu sprechen - wenn nicht gar rumänisch.

Die eigene Mundart

Nach dem vorangegangenen Bericht über die Eigenheiten der Burzenländer Mundart konnten nur wenige Gemeinden nach Lautung und Wortwahl nur etwa weitläufig auf eine Ähnlichkeit mit einer Mundart in der Urheimat hingedeutet werden. Bei der Tartlauer Mundart war das nicht so ohne weiteres möglich. Tartlau hat eine spezifisch eigene Lautung, der Ort liegt ja auch am äußersten Rande des Siedlungsgebietes in Siebenbürgen, war in unruhigen Zeiten so ziemlich auf sich selber gestellt - und somit hat die Sprache in Wortwahl und Lautung eine eigene Entwicklung mitgemacht, welche getreulich von Generation zu Generation weitergegeben wurde.

Über eine Mundart zu schreiben, ist an sich schon ein Wagnis, aber auch leidenschaftlicher Ansporn zugleich, denn es verlangt eine gewisse Energie, sich mit der seriösen Wissenschaft anzulegen. Die Neusiedler in Siebenbürgen brachten die Wurzeln der Siebenbürgisch-sächsischen Mundart aus nahezu allen deutschen Gauen als ihr "unsichtbares Gepäck" mit. So war die geschichtliche Entwicklung, denn es wurden keine Gebiete im Mutterland entvölkert, sondern unternehmungslustige Aussiedler schlössen sich der Aufbruchstimmung jeweils nach Osten oder Südosten an.

Die Auswanderung geschah in einer Aufbruchstimmung ihrer Zeit. Sie entstand aus einem Druck im Mutterland - etwa aus Übervölkerung, Missernte, Leibeigenschaft oder Armut - hin zu einem Sog in freiheitlicher Hoffnung (so wie man es heute in umgekehrter Richtung kennt), Im Land ihrer Ankunft wurde ihnen eine Parzelle mit Ackergrund als eine neue Lebensgrundlage zugewiesen, und eine erfolgreiche Besiedlung nach genau durchdachtem Plan nahm ihren Anfang. Ein wahres Aufbauwerk von intelligenten Leute geleitet war die Motivation zu fast unglaublicher Leistung. Die Sprache zu ihrer Verständigung untereinander war demnach ein Gemisch aus vielerlei Mundarten, da die Hochsprache noch nicht soweit entwickelt war, und logischerweise setzte sich hier die stärkere Gruppe durch, was somit die eigentliche Herkunft nur erschwert. Dennoch ist eine Untersuchung der Tartlauer Mundart sehr interessant und aufschlussreich. Es beginnt schon bei den alten Straßennamen von Tartlau: Steinreg, Göllnergasse, Eschergasse, und besonders bei "Gaßmer", das sind topographiebezogene Namen, auf das ursprüngliche Gelände, Bodenbeschaffenheit, oder Lage an einem Gewässer, und auf uralte niederdeutsche Flurnamen zurückgehend, welche von den seinerzeitigen Planern so wiedergegeben wurden. (Hierüber wurde in einem vorhergehenden Artikel schon berichtet). Die Siedler selber brachten in ihrer Sprache einen Wortschatz mit, wie er verschiedentlich in einigen Wörtern im Mutterland heute noch zu finden ist: (Auch hierüber wurde schon berichtet über einige Stammwörter, wie sie z.B. besonders im Münsterland zu finden sind).

Bei Stadtgründungen im Mittelalter ist nach einer neuesten Theorie in Württemberg der für die Stadt vorgesehene Platz noch vor der Ankunft der Siedler ausgemessen und markiert worden. In Siebenbürgen könnte der Vorgang wohl ähnlich abgelaufen sein - und aus diesem Umfeld stammen viele Flurnamen in Tartlau. Man wird den Ursprung so mancher gebräuchlicher Wörter in vielen west- und norddeutschen Gegenden, sowie in Siebenbürgen, herausfiltern können, und wird erstaunt sein, welche Schätze die Mundart bietet.

Darüber hinaus gibt es auch Wörter, welche aus dem multinationalen Umfeld aufgenommen wurden, dazu gibt es ein sehr krasses Beispiel in dem Satz: "Palukes (Polenta) mit Käse und Gurken". Auf deutsch. Heißt in Nordsiebenbürgen:" Kolescha mat Brenz och Audrenk", heißt in Tartlau: "Palix mat Torelt och Kratzewitzen". Das zur Belustigung.

In einer Gegenüberstellung von Wortschöpfungen in der Mundart, wie sie in der Hochsprache nicht buchstabengerecht übersetzt werden können, gibt es die köstlichsten Missverständnisse. Bei fast allen Zusammenkünften von Landsleuten ist man damit bald in sehr lustiger Stimmung, wenn man darauf zu sprechen kommt. Oft sind diese Fehldeutungen in Witze eingebunden, welche man in Gesellschaft mit Bundesbürgern leider nicht erzählen kann, ohne vorher das Missverständnis erklären zu müssen, und damit ist die witzige Pointe schon vorweggenommen und also wirkungslos. Solche Missverständnisse benötigen einen geschickten Kommentar zu den Anspielungen, um die Übersetzung auch wirkungsvoll in der Pointe wiederzugeben. Denn trotz aller Banalität in den Ausdrücken sind sie "Sprachgesten" einer eigenständigen Kultur, und haben sozusagen das "Parfüm des Originals". Eine diesbezügliche Geschichte wäre für den deutschen Bürger schon völlig verständnislos, wenn sie aus der gebräuchlichen Burzenländer Mundart ins Hochdeutsche übertragen wird. Sie ist aus dem dortigen ländlichen Leben herausgegriffen , und ist die Beschreibung von einem Gewitter (Det Gewadder):

"Draußen war es so dilpich, um was es den Rauch aus den Kippen wider den Erdboden drückte. Die Schpilwen flogen ganz nieder durch die Gassen; und nur die Mischen kiwerten unbekümment in der Maare. Das Gehehn ging schon ganz wie vertimmelt, und unser großer Kockesch pladderte vom Geschitz auf den Mistburren, und fing an (e) kreischen: Kieriki, kikeriki, als wollte man ihn abtun. Meine Großen kam hurtig mit dem Ziekert aus dem Gewelf zurück, sah durch ihre Augenspiegel an den Himmel, und sagte gegen mich: "Gleich schüttet es, jag die Henkel und die kleinen Kartschunnen ins Sillenstübchen, und begreif mir am Fil-pes, damit wir die Hemden und Gatschen herabmachen". Na und da fing es auch schon an zu weddern. Rundherumertum blitzte es in einem fort, und der Wind pletschte das Tor zu. Die Güter, die was im Stall angebunden waren, wurden ganz unruhig. Unser Kastor mit seiner Knoche zog den Zagel ein, verkroch sich in sein Katetzchen, und tat häßlich. Der Kater wischte sich die Granen, bevor er auf der Aufstubentreppe verschwand.

In der Dachrinne tschurrlte es wie in einer Bache; vom Hof her da floß das Wasser schon fast über den Dirpel. Meine kleine Sister schrie dicke Zehren ins Schnipptuch, denn die Eltern waren allein auf dem Hattert, weil unser Knecht war ja schon seit dem Herwest bei den Masern. Mehr wie es auch wedderte, und die Blitze über den Kumpestgarten und den Bisch hinwegzogen, ich nahm mir aus dem großen Dippen ein Jipp voll Piddemkerne, und verkroch mich in der Scheuer in die Grummet, bis das Gewedder vorbei war."

Diese amüsante Geschichte beinhaltet sehr deutlich die ursprüngliche Lautumwandlung im Burzenland zu den Sueben-Svävi in ihrem Ursprungsland Mecklenburg vom "v, w" zum "b, p". Dazu das Beispiel von den zweiundzwanzig schwarz gesprenkelten Schweinen, wo es also heißt: "Zpienendzpänzech schpuerz gesprainkelt Schpenj". Das gilt im Gegensatz zum übrigen Siebenbürgen nur für das Burzenland und wenige Gemeinden in Bistritz.


Autor: Otto Depner

Erstellt: 23. Dezember 2009 - 18:04. Geändert: 28. August 2019 - 15:27.