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Kirchenburg Tartlau - UNESCO-Welterbestätte seit 1999

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Erlauschtes aus Tartlau - erzählt von Katharina Roser

Diese kleinen Schmunzelgeschichten – es hat noch mehrere – sind aus dem Tartlauer Volksmund aufgegriffen und haben früher, als es noch kein Radio oder Fernsehen gab, manche Heiterkeit ausgelöst, besonders beim "Kukuruz-Schälen". Mögen sie es auch heute noch bewirken. Einige Namen sind geändert. Man möge mir verzeihen.

Als der Misch freien ging

Es war zu jener Zeit nicht so einfach, ein Mädchen zu freien, besonders wenn man sich nur vom sehen kannte und sonst ziemlich scheu war, sich ihr zu nähern. Es kostete schon Überwindung, den Eltern der Begehrten gegenüber zu treten und um ihre Hand zu bitten.

Nun hatte sich aber der Misch ein Herz gefaßt und klopfte an einem Abend an der Haustür des Mädchens. Wie es sich gehört, ließ man ihn eintreten und Platz nehmen. Nun saß er da. Auf dem Weg hierher hatte er sich schöne und passende Worte zurecht gelegt, die er jetzt, wo er sie hervorbringen sollte, nicht mehr fand. Sie waren ihm völlig entfallen.

So saß er nun verlegen auf der Truhe, rutschte hin und her, drehte seinen Hut über dem Handgelenk, als ob’s ein Kreisel wär, und stieß dann hervor: "Em sel – em sel, em sel dien pradijen lassen, die et geliert huot, bekun ech na Ihr Dochter oder bekun ech se nätch?!" ("Man sollte – man sollte, man sollte den predigen lassen, der es gelernt hat, bekomm' ich nun Ihre Tochter oder bekomm' ich sie nicht?!").

Der Herr Doktor

Es war einmal ein rumänischer Arzt in Tartlau, der von der Bevölkerung sehr geschätzt wurde. Nur mit der deutschen Sprache haperte es bei ihm.

So kam es, dass ein altes sächsisches Mütterchen, die aber kein einziges Wort rumänisch verstand, zu ihm kam und ihm alle ihre Wehwehchen offenbarte. Ach, die Arme hatte es im Kreuz und in den Füßen, konnte kaum mehr laufen und auch sonst war manches nicht in Ordnung.

Der Doktor untersuchte sie gründlich und lang, verschrieb ihr Arznei und sagte dann zu ihr: "Müssen stehen drei Tage in Bett, dann werden wieder alles gut." ("Stai 3 zile in pat.")

Entrüstet kam die Frau nach Hause und meinte zur Nachbarin: "Stall der vor Annschen, der Doktor huet gesaut, ech sel ant Bät stauen, - wei sual ech duat na måchen, dau ech mech scher nätch mieh af den Foißen hualden kon." ("Stell Dir vor, Annchen, der Doktor hat gesagt, ich soll ins Bett stehen, - wie soll ich das nur machen, da ich mich schier nicht mehr auf den Füßen halten kann.")

Die Wahrsagerin

Trotz aller christlichen Gläubigkeit hielten es manche Tartlauer auch mit dem Aberglauben.

So war es, dass eine schon ältere Bauersfrau täglich ihre Schar Gänse in der Frühe auf die Gasse ließ, wo sie im Gras Futter fanden und dann in den nahen Bach watschelten. Von dort kamen sie meistens erst am Abend im Gänseschritt wieder zurück.

Dies Bild war jedem bekannt und man war es so gewohnt. Doch eines Abends, es ging auf den Martinstag zu, blieb das Geschnatter aus und die Gänse kamen nicht. Die Frau ging die Gasse auf und ab und suchte ihre Gänse. Sie rief vergeblich ihr – libi –libi – li – sie blieben verschwunden.

Da gab es eine alte Wahrsagerin in Tartlau, die konnte Karten legen. Sie war Ungarin, sprach aber schlecht und recht sächsisch. Zu ihr kam nun die Frau, zahlte ihre Gebühr und ließ sich die Karten legen.

Aber bei jeder Karte wurde ihre Miene düsterer und schließlich sagte sie, auf die Gänse bezogen: "ech kon nor sauen, et as alles spuorz – sekt et nor get, way Bachen, way Guorten, oder der licht Blauch huot et alles fräßen." ("Ich kann nur sagen, es ist alles schwarz – sucht nur gut, entweder im Bach oder im Garten, oder der schlimme Rumäne hat alle gefressen".)

Der Miertebuatscha

Der Miertebuatscha war ein Bauer von echter Tartlauer Art. Beliebt, geschätzt und geachtet. Jahrzehntelang bestellte er seine Felder mit dem Ochsengespann. Und seine Felder konnten sich sehen lassen. Es war beschaulich, wenn er neben seinen Ochsen einherging. Er strahlte eine gewisse Gemütlichkeit aus, als würden sie zusammen gehören.

Nun, da er schon betagt war, übergab er seine Landwirtschaft seinem Sohn. Dieser, eine Generation jünger und moderner, verkaufte aber bald darauf die Ochsen und schaffte sich Pferde an, die viel schneller waren.

Der Miertebuatscha konnte das nicht verstehen, denn er war immer gut zurecht gekommen mit seinen Ochsen. Von Schnelligkeit wollte er nicht viel wissen.

Aber eines Tages schaffte sich der Sohn auch einen Traktor an, mit dem er nun noch schneller war. Die Meinung des Alten dazu war nur kurz : "Et as jå ålles get och fenj, schnäl as e, Kraft huot e, furzen och steinken kon e och - awer scheï... sel e kånnen, dann mer brechen doch de Mast." ("Es ist ja alles gut und fein – schnell ist er, Kraft hat er, furzen und stinken kann er auch – aber schei... sollte er können, denn wir brauchen doch den Mist.")

Das Gewitter

Der Imrebatschi war ein Ungar, aber ein guter Tartlauer. Er war mit einer Sächsin verheiratet. Es war eine Ehe wie jede andere auch. Die Kinder gingen in die deutsche Schule und zu Hause wurde sächsisch gesprochen.

Der Imrebatschi hatte aber einen leichten Hang zu Schnaps und Wein, und das Bier verschmähte er auch nicht. So kam es öfters vor, dass er bei derlei Gesellschaft das Heimgehen vergaß. Dann wurde er oft von seiner lieben Frau aus der Wirtschaft geholt.

So auch an einem schönen Tag, als es bereits zu dunkeln begann und er noch nicht ans Heimgehen dachte. Da gewahrte er durchs Wirtshausfenster seine Frau, die forschen Schrittes der Wirtschaft zustrebte. Ahnend, was da auf ihn zukam, rief er zum Wirt hinüber: "Misch, bronj mer schnäl de Reinestarn, et kitt e Wadder." ("Misch, bring mir schnell den Regenschirm, es kommt ein Gewitter".)

Die Reise

Der alte Klempner wollte einmal nach Sent-György verreisen. Er ging zum großen Bahnhof in Tartlau und schnurstracks zum Schalter. Er klopfte an und wollte ein Billett. Jedoch der Beamte schlug das Fensterchen gleich wieder zu mit der Bemerkung, er solle warten.

Nach einem Weilchen probierte er es wieder mit Klopfen und wollte sein Billett. Und abermals wurde es ihm verweigert, weil noch Zeit genug sei. Aufregend war es ja schon, wenn man verreisen sollte.

Da, auf einmal fuhr der Zug schon ein. Der Beamte gab schnell noch die Fahrkarten aus, so auch dem Klempner mit der Bemerkung, er solle sich beeilen einzusteigen. Dieser aber war nun sauer, blieb stehen, schmiss dem Beamten sein Billet vor die Füße und meinte wütend : "Dau huostet, na kost da fuohren dermat von mier ous an de Hall, och ech huen menjen Stolz." Dann drehte er sich um und ging schimpfend wieder heim. ("Da hast Du’s, jetzt kannst Du fahren damit, von mir aus in die Hölle, auch ich hab' meinen Stolz".)

Peinlich

Eine ältere Frau der vornehmeren Gesellschaft wollte nach dem Mittagessen mit dem Bus nach Kronstadt fahren. Es hatte weiße Bohnen gegeben zum Essen und wie allgemein bekannt, haben diese meistens eine Nachwirkung.

Es war schon spät an der Zeit und sie muste sich beeilen. Sie schritt hurtig aus, konnte aber nicht verhindern, dass ihr auf Schritt und Tritt hörbare Töne entwichen. Das war ihr furchtbar peinlich und sie verhielt manchmal ihren Schritt, dabei stöhnte sie : "O jeh, o jeh, ech kon nätch mieh - et geht doch nätch !" ("Oh jeh, oh jeh, ich kann nicht mehr, es geht doch nicht!")

In ihrer Bedrängnis hatte sie aber nicht bemerkt, dass der Herr Tierarzt dicht hinter ihr her kam, der darauf grüßend den Hut lüpfte und sagte : "Macht Och doch nast derous - et geht doch ganz get." ("Macht Euch doch nichts draus – es geht doch ganz gut!")

Im Feld aufgeschnappt

Ich ging noch zur Schule und da Kinder sehr begehrt waren beim Rüben vereinzeln, musste ich halt auch aufs Feld.

Dass man Kinder zu diesen Arbeiten bevorzugte, lag halt am Geld, denn Erwachsene hatten Anspruch auf Taglohn, während man den Kindern nur ein kleines Entgelt zahlte. Es war eine langweilige Arbeit, deshalb nahm der Bauer möglichst viele Leute dazu. Meistens waren es Frauen.

Darunter war auch eine Witwe, die sich schlecht und recht durch ihrer Hände Arbeit ernährte. Und wie das allgemein bekannt ist, wurden doch immer die Ärmsten gehänselt. Sie wurde gefrozzelt, unter anderem auch wegen ihres angeblich leichten Lebenswandels. Das aber erboste sie zutiefst und sie sagte aufgebracht (was ich damals nicht verstand) : "Wat de Schlach - sual ech vilecht och duat nach entbiehren, vuen dam et genech git an der Warlt, gonz amsaß, aunen dervor ze bezuehlen." ("Was zum Schlag – soll ich vielleicht auch das noch entbehren, von dem es genug gibt in der Welt, ganz umsonst, ohne dafür zu bezahlen".)

Warum die Schmidtnena Gochhirschan hieß

O, wer kannte sie nicht, die alte Schmidtnena vom Brakelschen. - Sie war ein Original. Gutmütig, ehrlich und arbeitsam. Bis ins hohe Alter ging sie vom Frühjahr bis zum Herbst zum Nidy aufs Feld.

Es wurde jeden Abend sehr spät bis sie heimkam. Aber nicht, weil sie so spät vom Felde kam, sondern weil sie auf jede Bank, wo ein Pärchen saß, sich zu dessen Verdruss dazusetzte und die Neuigkeiten erzählte. So war man immer bestens informiert von allem Geschehen in der Gemeinde.

Man hieß sie auch die Gochhirschan. Dieser Spitzname war ihr auch wegen ihres Fleißes angehaftet worden. Und das kam so: Als sich einige Männer, darunter auch ihr eigener Ehemann, in der Wirtschaft unterhielten, lobten alle ihre Frauen und jeder wollte die fleißigste haben.

Da trumpfte ihr Mann mit der Bemerkung auf : "Se huot uen enem Dach - gebacken, gewäschen och gebocht, dratthalf Monnshamd geneiht, zpien Gonj Koren geschnidden, och nåch en Gochhirsch gekåcht end mer diën an de Påpehrmill bruecht." ("Sie hat an einem Tag – gebacken, gewaschen und gebocht (Wäsche beim spülen auf der Bank geklopft), dreieinhalb Männerhemden genäht, zwei Reihen Korn geschnitten und noch Hirsebrei mit Krautsaft gekocht und mir in die Papiermühle gebracht".) Vor der Leistung mussten sich alle anderen Männer geschlagen geben. Aber der Spitzname "Gochhirschan" blieb ihr bis ans Ende.

Auf dem Weg in die Bodzau

Der Tummes fuhr an einem schönen Morgen mit seinem Ochsengespann in die Bodzau und wollte Holz holen. Die Sonne meinte es gut und versprach einen schönen Tag.

Da er nun schon ziemlich lang gefahren war, legte er für sich und seine Ochsen eine Verschnaufpause ein. Wie üblich, wenn Ochsen zum stehen kamen, ließen sie ihr Wasser laufen und unser Tummes auch.

Unweit gewahrte er einen Pflaumenbaum, der voll mit blauen Früchten hing. Ohne gesehen zu werden, pflückte er Pflaumen in seinen Schurz, so viel als nur herein passten. Als er bereits die Runge seines Wagens in der Hand hatte und sich gerade auf den Wagen schwingen wollte, entglitt ihm der Schürzenzipfel aus der Hand und alle Pflaumen kullerten in den Floz unter dem Wagen.

Schimpfend bückte er sich, hob sie einzeln auf und wischte jede am Hosenboden ab und tat sie wieder in seinen Schurz. Aufmerksam sie betrachtend meinte er bei jeder Pflaume: "Dis as nätch besecht - uch dis as nätch besecht - end dis as och nätch besecht" bis zum Schluss keine mehr übrig blieb. ("Diese ist nicht beseicht – und diese auch nicht, und diese ist nicht beseicht...")

Die Paragraphen

Aus einem Weiher hatte man in Tartlau einen Fischteich gemacht und Forellen eingesetzt zur Zucht. Da das Wasser dort noch in Ordnung war, gediehen diese edlen Fische sehr gut und reizten manchen Gaumen. Jedoch erwerben konnte man keine Forelle davon.

Ein Bürger, der einmal Besuch bekommen hatte und gerne mit Forellen aufgewartet hätte, versuchte es, doch wurde er schnell abgewiesen. Als er wieder auf der Straße war, begegnete er einem Bekannten, mit dem er längere Zeit vor dem Hause stehen blieb. Da sah er, wie der Ortsvorsteher ebenfalls dort hineinging und nachher mit einem ganz ansehnlichen Päckchen wieder herauskam und schnell der Wirtschaft zustrebte.

Schnell holte unser Mann den Ortsvorsteher ein und fragte, wohin er es so eilig hätte. Dieser antwortete, es sei Sitzung und er müsse sich beeilen. Ja und was hätte er da unter dem Arm für ein Paket. - Das seien die Paragraphen. Worauf der andere zu ihm sagte: "Wallste mer nätch och vuen diën Pårågråphen en puer uefgiën, ech sauen et bestammt uch guer neimendem." ("Willst Du mir nicht auch von den 'Paragraphen' ein paar abgeben, ich sage es bestimmt gar niemand weiter".)

Ertappt

Dem alten Millner sagte man nach, dass er gerne am frühen Morgen oder auch am späten Abend durch die Felder streifte und ab und zu einen Hasen oder auch eine Wildente heimbrachte, manchmal auch aus den Gewässern einen Fisch.

So trug es sich zu, dass er an einem Morgen ganz früh, als kaum noch jemand unterwegs war, mit einem Korb, durch dessen Henkel ein Karst gesteckt war und den er auf der Schulter trug, heimkehrte. Als er gerade um die Ecke bog, kam ihm ein Nachbar entgegen, der ihn fragte, woher er schon so früh käme. "Vom Streifen" antwortete er, er wollte Kartoffeln holen.

Da meinte der Nachbar, das müssten aber arg zappelige Kartoffeln sein. Verdutzt setzte der alte Millner daraufhin den Korb ab und sagte verwundert : "Nå, sach na uen, dau moiß sech det Gedeier an det Falpes vererrt huen, as et mer vorhiër an de Bach gefållen as." ("Na, sieh' mal an, da muss sich dies Tier in den Korb verirrt haben, als er mir vorhin in den Bach gefallen ist.")

Der gute Samen

Der Misch hatte schon längere Zeit eine feste Freundin. Da beide nun in die Jahre kamen, entschlossen sie sich zu heiraten.

Beider Eltern hatten nichts dagegen und so wurde "Zusagen" und Verlobung gefeiert. Das Aufgebot wurde bestellt und mit dem Herrn Pfarrer die Hochzeit festgesetzt. Es war eine große Hochzeit und alle freuten sich an dem stattlichen Paar. So eine Hochzeit war schon etwas Schönes und man sprach noch lange davon.

Nach ein paar Wochen begab sich der Misch abermals zum Herrn Pfarrer, um ihm die Geburt seines Stammhalters zu melden. Dieser gratulierte erfreut dem stolzen Vater, dann sagte er aber "He, Misch, huen ech och nätch irscht vor en puer Wåchen getraht ? Wei kit duat, dåt Ihr na schun e Kandch huet?" – Der Misch antwortete verschmitzt : "Doch, doch Harr Pfarr, åwer duat kit vuem gede Saum, die schnäler åfgegahn as, wei bei onderen, end duat wuas as Vortehl." ("He, Misch, hab' ich Euch nicht erst vor ein paar Wochen getraut? - Wie kommt es, dass Ihr nun schon ein Kind habt?" - "Doch, doch, Herr Pfarrer, aber das kommt vom guten Samen, der schneller aufgegangen ist, wie bei anderen, und das war der Vorteil".)


Autor: Katharina Roser (geb. Hellmann)

Erstellt: 5. Februar 2010 - 16:33. Geändert: 28. November 2010 - 18:57.